Die Kraft der Basis
Unglaublich! Wenn solche Vorgänge in einer realen Firma vorkämen, würden die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen, aber tatsächlich ist es noch weit schlimmer: Das, was ich anhand des Beispiels „Betrieb” beschrieben habe, ist nichts anderes als die Vorgänge in fast jedem menschlichen Körper…zumindest in unserem Kulturkreis.
Die Mitarbeiterin, die nicht arbeiten darf, ist unsere Beckenbodenmuskulatur. Mit einzigartigen, weithin unbekannten Fähigkeiten: Sie kann die Aufrichtung unseres Körpers am besten dirigieren und ist zudem der Sitz der Vitalenergie (erstes Chakra). Die Beckenbodenmuskulatur ist eigentlich ein richtiges Arbeitstier und kann – richtig eingesetzt – körperliche Arbeit am effektivsten tun. Aber da sie ihre Fähigkeiten eben nicht einsetzen darf, werden Rücken, Oberschenkel, Bauchmuskeln und sogar Schultern in den Dienst gepresst und müssen das mit übernehmen. Die zur Faulheit verdammte Beckenbodenmuskulatur tut was für ungenutzte Muskeln typisch ist – sie baut ab. Und schon haben wir eine hübsche Liste an Symptomen…
Keiner wundert sich, am Ende eines Tages ausgelaugt zu sein, am Ende einer Treppe kaputt, und immer früher im Leben mit Bandscheibenvorfällen, Knieproblemen und chronisch verspanntem Schultergürtel konfrontiert zu sein. Völlig selbstverständlich werden auch Inkontinenz- und Prostataprobleme bei älteren Menschen hingenommen. Alles ganz normal, der Mensch ist offensichtlich schlampig konstruiert, dass so hohe „Ausschussraten” zustande kommen… Oder läuft hier etwas nicht richtig? Behandeln wir unseren Körper vielleicht genauso, wie die Welt im allgemeinen – unsachgemäß und unökologisch?
Mehr noch: Die Beckenbodenmuskulatur hat als einzige im Körper (!) eine direkte Verbindung zum Gehirn, die sogar physikalisch messbar ist. Wir schöpfen unser energetisches und geistiges Potential nicht aus, wenn wir auf die Kraft der Basis verzichten!
Wir haben Haltungs- und Bewegungsmuster, die die Mitarbeit des Beckens ausschließen. Dies ist unnatürlich, aber da Kinder dies von ihren Eltern übernehmen, kennt unsere Kultur keine Alternativen.
Und warum? Becken, „da unten“, Sexualität, Ängste… Aber gleich so einen hohen Preis dafür bezahlen? Das geht nur, weil niemand weiß, wie hoch der Preis ist – wie ein Leben mit aktivem Beckenboden sich anfühlt.
Wenn ich in den Kursen meine Frauen dahin führe, diese andere Art, das Becken einzusetzen, zu erleben, ist das staunende Ah und Oh immer groß. So einfach und so schwierig gleichzeitig! Einfach, weil es wirklich nur ein Dreh ist, schwierig, weil uns unsere Gewohnheiten immer wieder zurück ziehen in die vertrauten Muster. Wir haben uns schließlich unser Leben eingerichtet mit wenig Energie und – mit wenig Selbstwert, denn die Körperhaltung hat nachhaltigen Einfluss auf meine innere Haltung und mein Selbst-Bewusstsein.
Ein kleines Experiment: Sie brauchen dazu einen Stuhl mit einer ebenen Sitzfläche. Setzen Sie sich an die vordere Kante, und zwar so, dass Sie so groß wie möglich sind – dazu muss man das Becken „aufstellen”. In dieser Haltung kann man die Sitzhöcker deutlich spüren. „Spielen Sie jetzt ein wenig mit Ihrer Beckenbodenmuskulatur – kurz erklärt: Es ist nicht die Po-, nicht die Bein- und nicht die Bauchmuskulatur; am besten stellen Sie sich vor, auf einer Erbse zu sitzen und diese kräftig „greifen” zu wollen. Dann spüren Sie einige Augenblicke nach, wie Sie sich fühlen. Jetzt lassen Sie das Becken langsam nach hinten kippen – so sitzt man nicht mehr auf den Sitzhöckern, sondern auf den Pobacken. Versuchen Sie in dieser Position die Beckenbodenmuskulatur auf die gleiche Weise zu aktivieren wie vorhin und spüren Sie wieder nach, wie Sie sich fühlen. Vermutlich werden Sie wahrnehmen, dass die zweite Haltung kraftloser ist, der Oberkörper sackt zusammen und die Atmung ist eingeschränkt. Und trotzdem verbringen die meisten Menschen täglich die meiste Zeit – beim Gehen, Stehen, Sitzen, Autofahren – mit leicht nach hinten gekipptem Becken, dadurch inaktivem Beckenboden und dadurch nur mit eingeschränkter Vitalenergie.
Die meisten Frauen kommen wegen Inkontinenz oder Organsenkungen und sind erstaunt über die Dimension, die ein starker Beckenboden auf ihr Leben haben kann. Wenn Üben ein angenehmes Körpergefühl hinterlässt, dann will man ganz von selbst wieder dahin und freut sich darauf.
Wenn dieses positive Körpergefühl in die alltäglichen, gewöhnlichen Bewegungsabläufe integriert wird (Gehen, Stehen, langes Sitzen, Treppensteigen, Radfahren), wird das Üben sowieso überflüssig…